Augustin, Editorial, Gesellschaftspolitik, Illustration

Marc Augés bürgerliche Fiktion

Tagebuch eines Obdachlosen, Boulevardzeitung Augustin

In der Jubiläumsausgabe zum 25. Geburtstag…

schreibt Barbara Eder für den Augustin über Realität vs. Fiktion in der Literatur über wohnungslose Menschen. Sie erzählt von einer Unterhaltung mit einem wohnungslosen Hacker in Wien.

“Er ist Anfang Fünfzig und trägt eine orangefarbene Warnweste über der Daunenjacke, darunter drei Pullover, die ihn vor der Kälte der Straße schützen sollen. Er weiß, wie man dort im Winter übernachtet – und noch viel mehr über das, was es bräuchte, um diesen Zustand für alle in Wien lebenden Personen, die keinen festen Wohnsitz haben, obsolet zu machen. Als ehemaliger advocatus diaboli der österreichischen Piratenpartei ist er als Blogger aktiv, seinen Laptop hat er stets mit dabei.”

Besonders im Winter schläft es sich im Freien nicht ruhig. Mitunter ganz anders als in Marc Augés ethnofiktionalem «Tagebuch eines Obdachlosen».” Darin lebt Figur im Auto und in Paris’ teuren Cafés.
Text: Barbara Eder · Redaktion: Ruth Weismann

In den Highlights meines Instagram-Profils findet ihr den ganzen Entstehungsprozess der Illu unter „Editorial“.

Tagebuch eines Obdachlosen, Boulevardzeitung Augustin, Marc Augés "Tagebuch eines Obdachlosen"

Im Falter erschien 2012 eine Rezension zu Marc Augés Fiktion

“Marc Augé – ein französischer Anthropologe, der vor allem mit seiner Theorie der “Nicht-Orte” bekannt wurde – tut auch gar nicht so, als hätte er eine Ahnung von der Welt eines Obdachlosen. (…) Eine “Ethnofiktion” sei sein Werk, sagt Augé und definiert diesen Begriff als “eine Erzählung, die eine soziale Tatsache aus der Perspektive einer einzelnen Person dar stellt”, wobei man “diese fiktive Person vollständig und in allen Einzelheiten erfinden” müsse.
Aber nicht nur hat Augés namenloser Ich-Erzähler kein reales Vorbild, er ist auch kein Obdachloser im eigentlichen Sinn, eher ein Flaneur in der Tradition Baudelaires. (…) Statt in eine kleinere Wohnung umzuziehen, beschließt er fortan in seinem Mercedes zu übernachten. Sein Hab und Gut verkauft er bis auf zwei Anzüge, denn “es ist an der Zeit, dass ich auf äußere Zeichen von Respektabilität achte”.
Ruth Eisenreich in FALTER 11/2012 vom 16.03.2012 (S. 39)